Wie die Transformation organisieren?

Die sozialen Bewegungen nach 1968 richteten sich gegen eine Produktions und Regierungsweise, die den Alltag disziplinierte. Sie kritisierten unter anderem die sozialen Formen der Partei und der Gewerkschaft sowie staatliche Institutionen. Während diese Bewegungen die Disziplinarorganisationen in die Defensive drängten, setzten sie zugleich auch eine Tendenz zur sozialen Fragmentierung in Bewegung. Die linken Parteien, Gewerkschaften und Staatsprojekte büßten an Integrations- und Mobilisierungskraft ein, während die sozialen Bewegungen zu schwach für eine Alternative blieben. NGOs und auf einzelne Forderungen gerichtete Bewegungen, die ab den 1980er Jahren vermehrt entstanden, konnten diese Schwäche nicht kompensieren. Offen ist bis heute, wie die notwendige sozial-ökologische Transformation organisiert werden kann, und ob diese Transformation auch einen spezifischen Typ von Organisation erfordert.

Vor dem Hintergrund dieser Problematik bietet das hier vorliegende Buch einen Beitrag zur Frage, wie transformative Prozesse jenseits von Zentralismus und Disziplinierungsmechanismen organisiert werden könnten. Es widmet sich dem Konzept der Rätepartei als einem Versuch im Rahmen der vielfältigen Bewegungen nach 1968, eine solche Alternative zu entwickeln. Das Konzept zielt auf eine Synthese der Pole von Koordination und Selbstorganisation, von Einheit und Vielfalt, von Strategie und Erfahrung ab. Es entstand im Rahmen des Sozialistischen Büros (SB) in Deutschland im Verlauf der 1970er, das für einige Jahre lang eine beachtliche Anziehungskraft innerhalb der Linken entfaltete. Schon das SB sollte selbst eine neue Organisationsform jenseits von zentralistischer Parteidisziplin und spontaneistischem Aktivismus darstellen. Es sollte als Koordinations und Vermittlungsinstanz wirken und die Selbstorganisation von Interessen unterstützen, die sich in konkreten Arbeitsfeldern (im Beruf, im Stadtteil, in der Reproduktion) entwickelten. Dieses Prinzip hatte Oskar Negt in einem Grundsatzartikel von 1972 prägnant zum Ausdruck gebracht: »Nicht nach Köpfen, sondern nach Interessen organisieren!« Prien zeichnet unter anderem im Rückbezug auf Rudi Dutschke nach, wie die beiden Pole des SB sich letztlich in die Alternativbewegung der 1980er Jahre auf der einen Seite und die Partei »Die Grünen« auf der anderen Seite auflösten. Damit, so Prien, war die Möglichkeit verspielt, die Erfahrungen in konkreten Arbeitsfeldern mit einer parlamentarischen Strategie zu verbinden.

Das Buch ist nicht nur als historische Analyse einer wichtigen Periode der Linken lesenswert. Vielmehr könnte es dazu beitragen, die Diskussionen von damals im Lichte der Herausforderungen für eine sozial-ökologische Transformation heute wieder aufzunehmen.

Andreas Exner (erschienen in contraste 4/2021)