Die Idee des Ousia-Lesekreis-Verlages verdankt sich der Einsicht, dass die herrschende Öffentlichkeit in ihren strukturellen Voraussetzungen vernunftwidrig ist und das freie Wort behindert.
„Dass keine einzelne Meinung als allgemein gelte könne, schon deshalb nicht, weil es noch andere Meinungen gibt“, dieser scheinlogische Satz ist das Geheimnis der herrschenden Öffentlichkeit.
In ihr, der herrschenden Öffentlichkeit, relativieren sich die einzelnen Meinungen und heben dadurch ihren jeweiligen Anspruch auf allgemeine, öffentliche Geltung wechselseitig auf. Innerhalb dieser Immanenz ist die freie Meinungsäußerung nur eine Bestätigung der Ohnmacht der Vernunft. Und eine öffentlich geäußerte Kritik immunisiert, ohne es beabsichtigen zu müssen, den Gegenstand ihrer Kritik gegen ihre eigenen Inhalte, gegen sich selbst.
Der Formalismus der herrschenden Öffentlichkeit schließt im Vorhinein eine inhaltliche Begründung dessen aus, was als allgemein zu gelten hätte. Die Wahrheit wird darum selbst formal definiert, wahr sei, was allgemein-öffentlich für wahr gelte. Diese Definition wird nur selten offen gegeben, aber umso wirkungsvoller von den anonymen Strukturen der herrschenden Öffentlichkeit insinuiert.
Dort, wo aber nicht inhaltliche Argumente in freier Diskussion entscheiden, nicht entscheiden können, bleibt nur eine Geltung übrig: „die normative Kraft des Faktischen“. Mehr noch, die formalistische geführte Diskussion affirmiert notwendig die faktischen, auf Macht und Gewalt gründende Verhältnisse und gibt ihnen noch dazu den Anschein, sie wären effektiv hinterfragbar, oder gar vor der Vernunft gerechtfertigt.
Als öffentliche Meinung zu einem Thema wird folglich nur die Aussage angesehen, deren Veröffentlichung den faktisch größten Geltungsbereich hat. Auch in der Frage nach der öffentlichen Relevanz bestimmter Themen entsteht hierdurch ein Schein von Selbstreferenzialität: Denn der Geltungsbereich der Veröffentlichung entscheidet zugleich über die öffentliche Relevanz des jeweiligen Themas. Darüber, wieviele Rezipienten von einem Thema erfahren, d.h. eben über den rein formalen Geltungsbereich, entscheidet wiederum die Potenz des Mediums, das dieses Thema veröffentlicht.
Die Meinungsmanipulation durch Medienmonopole hat ihren Grund also letztlich schon im Formalismus des Meinungsaustausches, deren erste Bedingung wiederum ein anonymes Publikum vereinzelter Teilnehmer ist.
Wäre das Publikum nicht anonym und „dispers“, dann könnte es sich in freier und sachkundiger Diskussion zunächst über seine gemeinsamen Interessen und Interessengegensätze selbst aufklären und gewönne auf diese Weise auch einen eigenen Maßstab für Relevanz und allgemeine Anerkennung.
Eine aufklärerische Gegenöffentlichkeit muss sich also nicht nur thematisch durch die Veröffentlichung unterdrückter, verdrängter oder verleumdeter Wahrheiten von der herrschenden Öffentlichkeit unterscheiden, von gleicher Wichtigkeit ist es, zumindest modellhaft die strukturellen Bedingungen von Öffentlichkeit selbst zu ändern.
Die eigenen Publikationen sind darum nur der eine Teil des Projektes Ousia-Lesekreis-Verlag, der andere, ebenso wesentliche Teil ist das Initiieren und Gestalten einer fachliche Teilöffentlichkeiten überschreitenden Lesebewegung, in der sich in direkter und freier Diskussion die daran direkt Beteiligten selbst aufklären können.